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Im Kampf gegen Cybersex und Sklaverei – Teil II

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Die Bekämpfung von Cybersex und Sklaverei beginnt mit Aufklärung. In dem vorigen Artikel „Cybersex – Männer wo seid ihr?“ haben wir ausführlich darüber gehört. Wenn du diesen Artikel noch nicht gelesen hast dann kannst du das hier tun.

Wissen ist gut, aber ohne dieses Wissen in Aktion zu setzen, bleibt es leer. Deshalb ermahnt uns Gottes Wort, dass wir nicht nur Hörer, sondern Täter des Wortes sein sollen, da wir uns sonst selbst betrügen (Jakobus 1,22)! Wir wollen uns anschauen, was wir in unserem Alltag und unserer Situation beitragen können, um diese Ungerechtigkeit zu bekämpfen und ein gottgefälliges Leben zu führen, dass dieser menschlichen Ausbeutung absolut konträr gestellt ist. Dieser Follow-Up Beitrag zeigt uns, wie wir handeln können.

Das ist der Ruf zum Handeln – Let´s go!

10 verschiedene Berufe und die Befreiung von Menschen in Cybersexausbeutung

Es gibt Bereiche, in denen man engagierte Menschen mit bestimmten Berufen braucht: Um Feuer zu bekämpfen, braucht man Feuerwehrleute zum Löschen und Bauarbeiter, um das Haus hinterher wiederaufzubauen. In der Betreuung von kranken Menschen braucht man medizinisches Personal. Aber beim Thema Moderne Sklaverei und gerade auch zur Bekämpfung von Cybersexausbeutung sind Menschen aus jedem Beruf wichtig. Ich möchte das an zehn Berufen kurz verdeutlichen. Vielleicht findest du dich in einem Beruf wieder, dann hast du konkrete Tipps, wie du dich einbringen kannst. Vielleicht ist dein Beruf auch nicht dabei, dann hast du die Aufgabe, selbst herauszufinden, was du tun kannst.

Ich und mein Beruf

Ich arbeite als Dozent für Theologie und Soziale Arbeit an verschiedenen Hochschulen. Ich habe das Privileg, dass ich viele junge Menschen kennenlerne, die unsere Welt gestalten wollen. Ich kann ihnen in ihrem Studium Kompetenzen vermitteln, wie sie diese Welt verändern können und dazu gehört die Abschaffung von Sklaverei. Außerdem habe ich als Theologe das Privileg, dass ich relativ gut über den christlichen Glauben reden kann und deshalb immer wieder von Kirchen und Gemeinden eingeladen werde, Gottesdienste zu gestalten. Weil Gott Unrecht hasst und Gerechtigkeit liebt, kann ich so immer wieder von der großen Ungerechtigkeit der Cybersexausbeutung und der Hoffnung der Befreiung erzählen. Zurzeit bin ich in meiner Freizeit zweimal im Monat zu diesem Thema in Deutschland unterwegs.

Juristen

Liebst du auch Filme von krassen Gerichtsprozessen, bei denen ein Anwalt für Menschen eintritt, denen himmelschreiendes Unrecht widerfahren ist? Am Ende hat er die perfekten Beweise in einer flammenden Rede präsentiert und der Richter spricht das Urteil. In unserer Welt können sich reiche Menschen in der Regel die besten Anwälte leisten und in einigen Ländern einfach die Richter schmieren. Wenn wir Menschen befreien, reicht es nicht aus. Die Täter müssen verurteilt werden, um nicht weiter Schaden anzurichten und durch gute und scharfe Urteile müssen andere Täter abgeschreckt werden, sodass sie aufhören, Menschen auszubeuten. Wir brauchen Juristen!

Kleinunternehmer

Es gibt Leute, die haben eine Idee, sind kreativ und haben die Eier in der Hose, ein eigenes, kleines Unternehmen zu gründen. Ich könnte das nicht und ich bewundere solche Menschen. Um Sklaverei zu überwinden, brauchen wir gute neue Ideen. In den letzten Jahren wurden vor allem in der Kleidungsindustrie neue Unternehmen gegründet, die mittlerweile auch stylische Kleidung produzieren, ohne dass Menschen dafür ausgebeutet oder gar versklavt werden. Aber wir benötigen Unternehmen in vielen weiteren Bereichen, die mit neuen Ideen sklavenfrei produzieren. Möbel, Elektronik, Automobilzubehör…

Sozialarbeiter

Wenn Menschen durch halsbrecherische Manöver aus der Gewalt ihrer Unterdrücker befreit werden, fängt für sie ein neuer Lebensabschnitt an. Aber dieses neue Leben in Freiheit schaffen sie nicht ohne Hilfe von anderen. Sie müssen vieles neu lernen, sie benötigen Therapien, um die Traumata zu verarbeiten, die ihnen durch übelste sexuelle, psychische und körperliche Misshandlung zugefügt wurden. Wenn du Sozialarbeiter bist, weißt du wahrscheinlich genau, wovon ich spreche und warum du gebraucht wirst.

Handwerker

Wenn ich von Handwerkern rede, spreche ich von allen Menschen, die in ihrem Beruf mit ihren Händen arbeiten und dabei mehr drauf haben als ich oder Fynn Kliemann – Leute, die in der Elektrik, als Fliesenleger, Zerspanungsmechaniker oder Schreiner arbeiten. Die meisten dieser Bereiche haben es finanziell oft schwer. Deshalb ist man gezwungen, möglichst günstiges (und dabei nicht minderwertiges) Material zu benutzen. Häufig kommen diese Materialien aus Produktion, die Sklaverei beinhaltet, denn nur so können sie so günstig sein. Es ist zum Beispiel günstiger, Pflastersteine aus indischen Steinbrüchen zu verbauen, als solche aus Europa, weil durch den Einsatz von Zwangsarbeitern so gut wie keine Personalkosten anfallen. Wenn Menschen im deutschen Handwerk ausschließlich auf etwas teurere sklavenfreie Produkte zurückgreifen, wird sich Sklaverei in Indien nicht mehr lohnen, weil dann nur noch fair hergestellte Produkte einen Absatzmarkt finden. Und wenn du als Handwerker bei deinen Kunden ein Bewusstsein dafür schaffst, warum du etwas teurer aber sklavenfrei bist, hast du mitunter sogar einen Wettbewerbsvorteil.

Manager

Manager treffen Entscheidungen – das ist ihr Beruf. Beim Managersein geht es nicht darum, möglichst viel Geld zu verdienen, sondern gute Entscheidungen zu treffen. Deshalb sollte sich jeder Manager die Frage stellen, wie er „gut“ definiert. Wenn gut z.B. gerecht bedeutet, dann sollte ein Manager Entscheidungen treffen, die besonders für diejenigen gerecht sind, die anderen schutzlos ausgeliefert sind. Dann ist die Entscheidung in schmutzige Geschäfte mit hohen Renditen zu investieren schlecht (ich schreibe hier übrigens bewusst von Managern, da viele Studien belegen, dass ihre weiblichen Kolleginnen häufiger gerechte Entscheidungen treffen). Wenn du als Manager gute Entscheidungen triffst – die also für alle Menschen gut sind, für deine Angestellten ebenso wie für die Näherinnen in Pakistan – dann solltest du für diese Entscheidungen auch gut bezahlt werden. So kannst du gleich doppelt Sklaverei bekämpfen: durch deine guten Entscheidungen und deine hohen Spendensummen.

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„Worte mögen inspirieren, aber nur Taten führen zur Veränderung.“ – Simon Sinek

Polizist

Ich habe vor einiger Zeit nach einem Vortrag mit einem Polizisten der Abteilung Menschenhandel in Deutschland gesprochen. Wir benötigen solche großartigen Leute, um Menschenhandel bei uns in Deutschland zu bekämpfen, um Täter und Konsumenten von Cybersexausbeutung Minderjähriger aufzuspüren und festzunehmen. Polizisten wählen ihren Beruf, weil sie die Gerechtigkeit schützen wollen. Das trifft auf die meisten Polizisten auf der ganzen Welt zu. Allerdings ist die Polizei in vielen Ländern dieser Welt nicht so gut ausgebildet wie in Deutschland. Einer meiner besten Freunde ist Polizist in Sierra Leone. Als er seine Ausbildung begonnen hatte, konnte er nur ansatzweise lesen und schreiben. Für ihn war es damals unmöglich in einem Fall von Cybersexausbeutung zu ermitteln, stichhaltige Beweise zu sammeln und zu dokumentieren. Durch Schulungen von Polizei in der ganzen Welt werden Polizisten befähigt, das zu tun, was ihnen wichtig ist: Gerechtigkeit zu schützen. Vielleicht bist du der richtige, solche Schulungen anzubieten, weil du eine gute Ausbildung erhalten hast.

Hacker

Ich habe von Computern keine Ahnung. Ich kann ein bisschen Fifa spielen und weiß, dass ich nicht „123456“ als Passwort für meinen Email-Account nutzen sollte. Ich habe wahrscheinlich auch ein ziemlich stereotypes Bild vor Augen, wenn ich an Hacker denke. Computernerds mit Hornbrille, verwaschenem T-Shirt und fettigen Haaren. Wahrscheinlich habe ich jetzt alle Leser verloren, die sich selbst als Hacker bezeichnen würden. Wenn wir Cybersexkriminalität bekämpfen wollen, dann brauchen wir genau solche Leute. Dabei ist das Entscheidende nicht die Hornbrille, sondern die Fähigkeit, sich in Netzwerke zu schleichen, um diejenigen ausfindig zu machen, die vor laufender Kamera kleine Mädchen missbrauchen oder die Handlungen per Mausklick und Online-Überweisung anfordern. Wir brauchen die besten Hacker, um die gewieftesten Cybersex-Täter zu überführen.

Lehrer

In meiner Schulzeit waren die Lehrer oft die Gegenteile von Hackern – sie hatten von Computern irgendwie gar keine Ahnung, sodass wir sie gut an der Nase herumführen konnten. Das hat sich heute sicherlich geändert und ist auch gar nicht der Punkt, auf den ich hinaus möchte. Lehrer sind die Grundlage von Bildung. Vor einiger Zeit habe ich ein 13-jähriges Mädchen getroffen, die damals mehr über Moderne Sklaverei wusste als ich. Sie hatte es im Politikunterricht gelernt. Lehrer haben die Möglichkeit, Unterricht spannend und relevant zu gestalten und jungen Menschen ein realistisches Bild von der Welt zu vermitteln. Wir sehen an der Fridays-for-Future-Bewegung, was Schüler*innen auf die Beine stellen können – besonders dann, wenn sie Lehrer haben, von denen sie gefördert werden.

Diese Liste zu den Berufen könnte unendlich weitergeführt werden, denn um Sklaverei zu bekämpfen, werden wir alle gebraucht mit dem, was wir können, wissen und haben. Aber zu je mehr Berufen ich hier schreibe, umso mehr Zeit verbrauchst du mit Lesen und umso weniger Zeit hast du, dich selbst zu engagieren.

Charakterschulung durch Engagement

Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch einen wichtigen Punkt erwähnen, warum du dich engagieren solltest: Engagement schult deinen Charakter. Wenn du dich gegen Sklaverei engagierst, tust du anderen etwas Gutes. Das ist das Beste daran. Aber du tust auch dir selbst etwas Gutes! Ich habe in den letzten Jahren viele junge Leute begleiten dürfen, die sich in sozialen und politischen Projekten engagieren. Alles wundervolle Menschen! Der schmerzhafteste und zugleich großartigste Moment bei allen diesen Menschen war, als sie das letzte Mal dabei waren und wir uns verabschiedet haben. Es war in dem Moment völlig klar, dass der Abschied für unsere Projekte einen großen Verlust bedeutet. Aber zugleich wusste ich, dass hier ein faszinierender Charakter unsere Arbeit verlässt, der in der Lage ist, an einem anderen Ort etwas von dem aufzubauen, was er bei uns gelernt und verinnerlicht hat. Wenn du beginnst, dich gegen Cybersexausbeutung zu engagieren, wirst du aus diesem Abenteuer anders herausgehen, als du hineingegangen bist. Du wirst Abgründe der Menschheit wahrnehmen, erschrecken, vielleicht in Schockstarre verfallen, aber eben auch entdecken, dass du gemeinsam mit anderen in der Lage bist, Dinge zu bewegen.

Arbeitslos

Vielleicht hast du gerade keine Arbeit. Dann kannst du das als Chance sehen, deine Zeit und vor allem deine Kompetenzen in den Kampf gegen Cybersexausbeutung zu investieren. Bevor du jetzt denkst: „Was nimmt sich der Autor dieses Textes heraus?! Der hat keine Ahnung davon, was Arbeitslosigkeit bedeutet und wie schwer das Leben dadurch wird!“, möchte ich kurz etwas einschieben. Arbeitslos zu sein ist extrem hart und ich fühle mit jedem mit, der eine solche Zeit kurz oder vielleicht sogar lang durchmachen muss. Man wird nicht arbeitslos, weil man faul, unnütze oder dumm ist, wie es uns medial immer wieder vorgegaukelt wird. Man wird arbeitslos, weil es (dort wo man lebt) nicht genug Arbeit gibt. Menschen in Arbeitslosigkeit tragen daran (in der Regel) nicht selbst die Schuld, sondern sie sind Opfer eines ungerechten Systems. Mit weniger Geld auszukommen, Zeit auf Ämtern zu verbringen und vor allem die Arbeit als Aufgabe verloren zu haben wünsche ich niemanden. Und dennoch kann es sein, dass gerade diese Situation als Chance begriffen werden kann, sich für kürzer oder länger intensiv dem Engagement gegen Menschenhandel und Moderne Sklaverei zu widmen und mit den eigenen Kompetenzen sinnvolle Aufgaben zu finden, nachdem man die Arbeit verloren hat.

Sklaverei beenden – wozu Männer auch fähig sind

Warum habe ich diesen Text geschrieben? Weil es mir wehtut, zu erfahren, welches Unrecht schutzlose Menschen erleben müssen. Und weil ich nicht mehr die Augen verschließen kann vor der Einsicht, dass ich selbst mittendrin hänge. Nicht nur wegen meiner eigenen Kaufentscheidungen bei meiner Jeans oder Schokolade, sondern einfach, weil ich in Deutschland lebe. Unser Land gehört zu den Top-3-Ländern, die von Moderner Sklaverei profitieren. Die Art und Weise, wie wir in unserer Gesellschaft leben, tritt das Recht von armen Menschen weltweit mit Füßen.

 

 


Gastbeitrag

 

Daniel Wegner (@daniel.befluegelt)

Mitarbeiter bei International Justice Mission (IJM Deutschland)

online erreichbar unter ijm-deutschland.de

 

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