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Neuer Job – Vatersein

Anfang Mai telefonierte ich mit Malte. Malte und ich sind Männer, die jeweils sowas von frischgebackene Papas sind. Vor uns liegen 2 Wesen, die schreien, nuckeln und von Herzen lachen. Wir telefonierten, tauschten uns über Stoffwindeln aus und fragten uns weinerlich, was aus uns geworden sei: 2 Männer im besten Saft ihres Lebens reden auf einmal gefühlt stundenlang am Telefon über Windeltrends, Morgenroutinen, Wickelmethoden und wie wir unsere Frauen entlasten und besänftigen können. Die Frauen, die uns am Leben und das System „Familie“ ja scheinbar am Laufen erhalten.

Ich bin als Sohn eines Pastors aufgewachsen und habe unterbewusst und unbewusst das Familienmodell „Mama ist immer zu Hause, Papa rettet die Welt“ quasi mit der Muttermilch inhaliert. Nun erlebe ich Jahre später, dass etwas, das für meine Rollenvorbilder normal/ ihr Weg war, für mein Leben nicht das ist, was trägt und was meiner Ehe guttut. Meine Frau ist Sozialarbeiterin und selbstständig im Bereich pferdegestützte Therapie und Coaching. Ich erlebe sie als einen der ganz wenigen Menschen, die ich kenne, die beruflich das machen, was an tiefen Leidenschaften & Begabungen in ihnen steckt.

Das ist für mich „Berufung“ finden. Wenn ein Mensch das tun kann, was Gott in ihn hinein gelegt hat. Großartig. Ich sehe, wie sie dadurch anderen Menschen hilft, „Leben rettet“ auf ihre Art und selbst aufblüht. Grande. Was aber bedeutet das für den Klischee-Pastoren Sohn? Rational kann ich das gut einordnen, freue mich. Emotional merke ich aber, dass alte Rollenmodelle dennoch in mir schlummern, ich doch noch Erwartungen diesbezüglich an meine Frau und „ihre Haus-Aufgabe“ habe.

Die größte Herausforderung für mich war/ ist es mir einzugestehen, dass ich es nicht schaffe, meinen Beruf für ein Kind aufzugeben. Ich finde ihn & mich dann doch zu wichtig und denke, die Welt kann nicht auf meinen Beruf und mich verzichten. Ich, der tolle Hauptamtliche, der hier viele Sätze mit „ich“ beginnt. Bin ich bereit das, was ich liebe, was mich definiert und worüber ich gelernt habe zu Performen loszulassen, um eines anderen willen? Kann ich meinen Beruf als Jugendreferent für die Zeit X sowas von an den berühmten Nagel hängen, damit meine Frau in ihrem ebenso wichtigen Beruf brillieren und ich meinen Sohn aufwachsen sehen kann? Oder sind es die 3-4 Stunden am Tag, die ich mit ihm habe und mir eigentlich reichen, wenn ich ehrlich werde? Ist es das, was ich will und wie ich Vatersein definiere? Ist Zeit mit einem Wesen, dass weder A, noch B sagen kann und von Herzen lacht, wenn es dich sieht, verschenkte oder gesegnete Zeit? Zeit, von der Mann meinen könnte, sie sei nicht produktiv? Oder ist gerade einem Kind, einen Tag weiterzuhelfen, produktiver denn je?

In all diesen Überlegungen und Monaten wurden mir „heilige Sätze“ von Freunden zu Lebensrettern. Heilig, weil sie Gottes Gegenwart in meine Situation sprechen. Das waren Sätze wie:

„Wenn in deiner Arbeitsbeschreibung das Wort ‚Retter‘ steht, dann hast du es selbst geschrieben. Die Welt wurde schon gerettet von Jesus. Das brauchst du nicht zu tun. Deine Schultern sind nicht gemacht, die Last der Welt zu tragen, sondern sich zu beugen und umarmen zu lassen.“

Manche Sätze, die uns zugesprochen werden, klingen wie Floskeln, bis der Moment kommt, wo sie „wirken“. Sie sind wie Tabletten, die man einwirft und erst nach X Minuten spürbar etwas verändern. Ich merke, dass die Welt, auch die fromme, sich weiterdreht. Selbst dann, wenn Super-Jugendreferent Senner Pause macht, krank ist, einen ganzen Tag mit seinem Sohnemann spielt und dieses lebende Wunder anschaut.

Als ich meinem Opa von meinen zwei Monaten Elternzeit erzählte, sagte er mit Tränen zu mir, dass er sich sehr für uns freut und das damals sehr gerne für seine Kids gemacht hätte. Doch damals war es nicht möglich, weil er mit 14 die Ausbildung begann und als die Kinder später kamen, weiterarbeiten musste. So war das damals. Ich selbst bin erst junger Vater. Niemand, der von jahrelanger Erfahrung oder 4 Kindern berichten kann, sondern „nur“ aktuell von einem Kind, das noch jung ist. Doch ich erlebe, dass ich an einem Punkt bin, wo wir als junge Family überlegen, was wir wollen, wie wir prägen möchten und wer wie intensiv in das Leben dieses Kindes sprechen darf.

Ich habe das seichte Gefühl, dass es kein gegeneinander ausspielen von Beruf(ung) und Familie sein darf. Sondern, dass wir in Westeuropa einfach in einer sehr privilegierten Zeit leben, in der es einfach möglich ist als Vater zuhause zu sein.

Wenn ich an Jesus und sein bekanntes „Abba“ (= liebevolles „Papa“ Mk 14,36) denke, dann spricht das für mich von einer sehr intimen Beziehung. Jesus – auch wahrer Mensch – musste eine super tiefe Vertrauensebene haben, um seinen Lebensweg so konsequent zu gehen. Hätte er einem Vater vertraut, den er nicht gekannt, dem er nicht im Leben & Sterben vertraut hätte? Laut Joh 1 war Jesus von Anbeginn aller Zeit beim „Vater“. Er hatte eine unvorstellbar lange und vermutlich intensive Zeit mit ihm. Vielleicht ist das ein Schlüssel für gelingendes Leben, wie auch immer das konkret aussehen mag. Jesus war der erste vollkommen erlöste Mensch. So wie er lebte, hat niemand bisher gelebt. In all seiner Liebe, Klarheit, Radikalität, die immer für Menschen war. Ich scheitere täglich an erlöstem Leben. Ich lebe so völlig anders. Hartherzig, träge, egozentrisch, kalt usw. Ich wünsche mir so ein Vertrauen zu Gott, dem Vater, wie Jesus es hatte.

Dieses Bild von Jesus dem Sohn und Gott dem Abba sollte das Bild für die Beziehung zu meinem Kind sein. Ihm Leben ermöglichen, die entscheidenden Momente seines Lebens nicht verpassen oder Dritten überlassen. Nicht nur für ihn, sondern mit ihm leben. Mit ihm die Spannungen aushalten, den Weitblick dabei behalten und ihm helfen in seine Spur des Lebens zu finden. Nicht mein Leben oder meine verpassten Chancen leben zu müssen, sondern seine zu entdecken. Das ist die Qualität dieses Vaters: Mit seinem Sohn über Jahrzehnte hinweg Ereignisse, Lebensmomente aushalten und deuten lernen. Es werden gute und es werden schlechte Dinge passieren. „Abba“ ist konsequenter Weise derjenige, der seinen Sohn nicht alleine lässt, mit ihm die Spannungen seines Lebens aushält und ihm hilft, das Geschehene einzuordnen. Kinder kennen nur die wenigen Zentimeter ihres bisherigen Lebens, der Vater aber den gesamten Zollstock.

In diesem Sinne wünsche ich mir die Kraft, als spätmoderner Mann, das loslassen zu können, worüber ich mich definiere und worin ich gelernt habe zu Performen, um am Vorbild dieses Vaters zu reifen. Für meinen Sohn, meine Frau, meinen Gott und am Ende auch für mich.

 


Gastartikel

 

Patrick Senner

patricksenner_offischel (Insta)

Jugendreferent des EC Niedersachsen

Verheiratet mit Julia. Ihr Kind: Jonte

Wunstorf, Steinhuder Meer

 

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