Lesezeit: 17 Minuten – Glaubenskraft entspringt aus der Gemeinschaft mit Gott. Erfahre etwas über die Notwendigkeit des Gebets und der Stille vor Gott.
Es war wahrscheinlich die schlimmste Nacht im Leben unseres Herrn Jesus, als er sich ein letztes Mal vor seiner Hinrichtung an einen seiner geliebten Orte zurückzog, um in die Gegenwart seines Vaters zu treten und mit ihm zu reden. Diese Stunden waren alles entscheidend und Jesus trug eine riesige Last auf seinen Schultern, die so schwer war, dass er bis an den Tod betrübt war. Es war die Nacht des Verrats Jesu und über den Verlauf des Schicksals der ganzen Menschheit sollte in den nächsten Stunden im Garten Gethsemane entschieden werden. Seine Jünger waren bei ihm und Petrus, Johannes und Jakobus, die den innersten Freundeskreis bildeten und die engsten Vertrauten Jesu auf dieser Welt waren, nahm er mit sich. Ich bin mir sicher, dass sie spürten, dass es Jesus extrem schlecht ging und er selbst sprach zu ihnen: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet mit mir!“ (Matthäus 26,28) Jesus entfernte sich etwa einen Steinwurf von ihnen und begann zu beten. Sie konnten sehen, wie sich Jesus auf den Boden warf und es schien, als ob er um etwas Großes rang. Sie machten sich große Sorgen und besprachen sich sofort darüber, wie sie ihrem Meister beistehen konnten und begannen bestimmt auch sofort für ihn zu beten und mit ihm zu wachen. Sie liebten ihn ja über alles. Und doch lesen wir dreimal, dass Jesus während diesen schlimmen Stunden, in denen er körperlich, seelisch, psychisch und geistlich so ausgelastet war, dass sein Schweiß wie Blut von ihm tropfte und er sich wortwörtlich in einem heftigen Gebetskampf befand, seine engsten Freunde schlafend vorfand. Und es tat ihm weh. Ich glaube, dass die 3 Jünger sich dafür schämten und es ihnen leid tat. Mit Sicherheit nahmen sie sich jedes Mal vor nicht mehr einzuschlafen und trotzdem passierte es wieder. In dem Moment der äußersten Anfechtung ihres Herrn waren sie unfähig wach zu bleiben. Es war, als ob eine Macht sie daran hinderte.
Wenn ich ehrlich bin, sehe ich mich oft liegend und schlafend bei den Jüngern, obwohl Jesus uns auffordert zu wachen und zu beten, dass wir nicht in Anfechtung fallen. Nach meinen Beobachtungen und Erfahrungen liegt dieser Schlaf auf vielen Christen. Es ist wie eine lähmende Unlust zum Beten und obwohl man eigentlich weiß wie existenziell wichtig das Gebet für das christliche Leben ist und was Außerordentliches durch Gebet bewirkt werden kann, ist die Hingabe zum anhaltenden Gebet oder überhaupt dem Gebet sehr schwach und spielt nicht annähernd die Rolle, die sie spielen sollte. J. Oswald Sanders drückt es folgendermaßen aus:
„Die meisten von uns werden von einem heimtückischen Widerwillen gegen das Gebet geplagt. Wir finden nicht natürlicherweise unsere Freude daran, uns Gott zu nähern.“
In seinem Buch „Das Gebetsleben Jesu“, führt Wolfgang Bühne eine Umfrage unter 3500 evangelikalen Christen im Alter von etwa 18 -60 Jahren in Deutschland und anderen Teilen der Welt durch, welche unter anderem Folgendes ergab:
a) mehr als die Hälfte der Befragten betet durchschnittlich 1-15 Minuten am Tag
b) 2/3 der Befragten betet nur 1-2 Mal am Tag
Es sieht danach aus, dass Beten bei vielen Christen eine untergeordnete Rolle im Alltag spielt, sei es weil man sich nicht dessen bewusst ist welche großartigen Verheißungen Gott über das Gebet gemacht hat oder weil man durch Müdigkeit und Unruhe, zu viel Geschäftigkeit oder einer gestörten Gemeinschaft mit dem Herrn vom Beten abgehalten wird.
Es gibt aber auch viele Menschen, die sich einen Tag ohne intensives Beten nicht vorstellen können, wie die Mutter von Wilhelm Busch, die einmal sagte, dass sie ohne Jesus nicht einmal das Mittagessen vorbereiten kann. Von einem Prediger las ich einmal, er habe noch nie länger als 5 Minuten gebetet, er sei aber auch noch nie länger als 10 Minuten ohne Gebet gewesen. Der mutige Pionier David Livingstone, der als erster Europäer Afrika vom Westen zum Osten zu Fuß durchquerte, wurde tot auf seinen Knien aufgefunden. Gott holte ihn heim, während er mit ihm sprach. Menschen, die Gott auf große Weise durch die gesamte Kirchengeschichte hinweg gebrauchte, hatten alle eine Sache gemeinsam: Sie waren Menschen des Gebets. Menschen die jeden Tag oft Stunden im Gebet verbrachten. Und der größte von ihnen war Jesus selbst! Lasst uns ihr Leben anschauen und entdecken, was es uns über das Beten zeigt. Es gibt kaum eine größere Inspiration auf diesem Gebiet, als sich die Höhen und Tiefen großartiger Glaubenshelden anzuschauen, die ihre größten Kämpfe und Siege auf ihren Knien errangen.
Die Notwendigkeit des Betens
Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass es ohne ein ausgeprägtes Gebetsleben kein tief gehendes, fruchtbares und siegreiches Christsein gibt. Unser geistlicher Fortschritt und unser geistliches Wachstum sind direkt mit dem Gebet verknüpft und werden davon beeinflusst. Jesus spricht zu seinen Jüngern, dass sie außerhalb von ihm absolut nichts tun können. Das ist ein sehr ernüchternder Schlag vor die Brust. Jede Frucht in unserem Leben ist von der Nähe zu Jesus abhängig.
„Unsere Reinheit, unsere Kraft, unsere Frömmigkeit und unsere Heiligkeit werden immer nur so stark sein wie unser Gebet.“ A.W. Tozer
Wie kommt es dazu, dass Beten so eine zentrale Rolle einnimmt? In der Bibel finden wir viele Ausdrucksformen des Gebetes, wie zum Beispiel rufen (Psalm 86,7), schreien (5. Mose 26,7), sprechen (2. Chronik 6,1), reden (Daniel 9, 20), klagen (Psalm 119, 196), singen/loben (Apostelgeschichte 16, 25), preisen (Psalm 50,15) etc. Alle diese Ausdrucksformen beschreiben das Gebet, was letztendlich jede Kommunikation des Menschen mit Gott darstellt. Es ist schön zu sehen, dass die Form der Anbetung nicht in eine feste Form gegossen ist. Wir Menschen können uns Gott in unserer menschlichen Bedürftigkeit nahen und müssen nicht versuchen, zu ignorieren, was uns wesenhaft ausmacht: wir sind bedürftig. Der Mensch braucht Gott! Reden mit Gott ist vom Anfang bis zum Ende der Bibel ein sich durchziehendes Thema und schon immer haben Menschen zu Gott gebetet.
Wenn wir das Leben Jesu betrachten, entdecken wir eine erstaunliche Tatsache: Jesus verbrachte sehr viel Zeit im Gespräch und in der Gegenwart seines Vaters. Er sagte oft zu seinen Jüngern, dass er und sein Vater eins seien und das lebte er ganz praktisch in einem sehr intensiven Gebetsleben aus. Wir glauben, dass Jesus ganz als Gott und ganz als Mensch auf diese Erde kam. Am Leben von Jesus kann man sehen, was es bedeutet vollkommen aus der Kraft des Heiligen Geistes und aus dem Ruhen und dem eins sein in dem Vater zu leben. Jesus lebte den Lebensstil, welchen Paulus in seinen Briefen als Leben und Wandeln im Geist beschreibt. Die gewaltige Vollmacht und das Wirken Jesu kamen von seinem Vater und entsprangen einzig und alleine dieser Quelle. Und so vollbrachte Jesus auch als Mensch den ganzen Willen des Vaters und konnte als Mensch der Sünde widerstehen und ein ganz geheiligtes und Gott wohlgefälliges Leben führen.
Die Evangelien berichten häufig wie Jesus sich manchmal fast heimlich zurückzog, um zu beten. Sehr bevorzugte Orte von Jesus waren Berge und im Besonderen der Ölberg, wohin Jesus nach seiner Gewohnheit hinzugehen pflegte.
Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er auf einen Berg, um für sich zu sein und zu beten. Und am Abend war er dort allein. Matthäus 14,23
Wir können noch mehr über die Gebetspraxis Jesu lesen:
Und am Morgen, noch vor Tage, stand er auf und ging hinaus. Und er ging an eine einsame Stätte und betete dort. Markus 1,35
Er aber entwich in die Einöde und betete. Lukas 5,16
Und am Abend war das Boot mitten auf dem Meer, und er war an Land allein. Markus 6,47
Auch hier an dieser Stelle in Markus 6,47 schickt Jesus seine Jünger nach einem sehr anstrengenden Tag, an dem die Speisung der 5000 stattgefunden hatte weg, um alleine zu sein. Er hatte den ganzen Tag lang zu sehr vielen Menschen gesprochen und gelehrt (professionelle Redner wissen, wie ermüdend das ist). Er hatte Menschen geheilt und ihnen seine Aufmerksamkeit gegeben. Am Ende des Tages war er mit Sicherheit hundemüde und dennoch will er das Gebet nicht versäumen. Es scheint eher so zu sein, dass gerade die Zeit mit Gott für ihn ein ganzheitliches Auftanken ist und er sie dem Schlaf bevorzugt. Wir sehen deutlich, dass es zu den Gewohnheiten Jesu gehörte regelmäßig viel Zeit in der Stille im Gebet vor Gott zu verbringen.
„Sein Leben war gekennzeichnet von Stunden und Nächten des Gebets. Jesus war ein Beter. Er zog sich zurück in die Einsamkeit der Wüsten oder der Berggipfel. Er betete am Morgen. Er betete am Abend. Er hat ganze Nächte durchgebetet. Er betete vor besonderen Ereignissen. Er betete vor wichtigen Entscheidungen. Betend vollbrachte er Wunder. Er lehrte seine Jünger beten. Er lebte betend. Und er starb betend für seine Mörder: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun,“ und für sich selbst: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ -W. Plock
So wie Jesus in seinem Vater verwurzelt war, fordert er nun auch uns auf in ihm verwurzelt zu sein:
Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer und sie müssen brennen. Johannes 15, 4-6
Wie ein Gerät, dessen Akku ständig mit der Stromquelle in Verbindung treten und immer wieder neu aufgeladen werden muss, so sollten auch wir dafür sorgen, dass unsere „geistlichen“ Akkus vollgeladen sind. Als Männer haben wir unsere Verpflichtungen und Verantwortungen wahrzunehmen und oft können die Tage so kräftezehrend sein, dass man abends tot müde ins Bett fällt. Aber genau deshalb ist es so wichtig Zeit ins Gebet zu investieren, weil es die ultimative Kraftquelle ist. Um als Männer „funktionieren“ zu können und ein von Stärke und Sieg geprägtes Dasein in allen Lebensbereichen führen zu können, müssen wir uns auf den verlassen, der diese Verheißung gibt: „Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen; aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“ Jesaja 40,30-31
„Wie unser Gebet ist, so ist unsere Arbeit, so ist unser Einfluss auf unsere Mitmenschen.“ Karl Heim
Wir können uns dessen sicher sein, dass wir beim Beten in die Gegenwart des lebendigen Gottes treten und er uns in dieser Begegnung ausrüstet und uns unglaubliche Kraft gibt, die wir für jeden Tag brauchen. Um im Stress geduldig zu bleiben oder um in einem Moment der Frustration und der Entnervung anderen Menschen mit Liebe zu begegnen, obwohl man am liebsten Kopfnüsse und Fausthiebe nach der Vorschlaghammer-Technik á la Bud Spencer verteilen würde. In Augenblicken, in denen Schweigen leichter fällt, weil man vor den Kollegen mit seinem Glauben alleine dasteht, wenn man von sexuellen Versuchungen überfallen wird oder nach einer schlaflosen Nacht, weil man nicht mehr weiß wie man die Miete und dazu die Arztrechnung des kranken Partners bezahlen soll… Ganz gleich, wie deine Umstände aussehen, im Vertrauen auf Gott kannst du sagen:
Ich vermag Alles, durch den der mich mächtig macht (Philipper 4,13).
Es ist eine Tatsache, dass unser Herr als wahrer Mensch und wahrer Gott die Stille und Einsamkeit aufsuchte, um ungestört und in Ruhe mit seinem Vater zu sprechen. Wir wollen Jesus nachfolgen und seinem Vorbild nacheifern und so sehen wir schon darin unsere Notwendigkeit unser Beten mit seinem Beten zu vergleichen und zu erkennen, wie wichtig und erforderlich ein reiches Gebetsleben für uns alle ist. Unsere geistliche Verfassung ist allein abhängig von Gott und deshalb dürfen und sollten wir immer und überall zu ihm kommen und dann werden wir es erleben, dass er unser Leben umso mehr segnen wird.
Die Stille wartet auf dich
Ein Geheimnis des Gebets ist die damit verbundene Stille. In der heutigen Zeit ist es extrem schwer geworden still zu werden. Wenn man möchte, kann man sich von morgens bis abends Lärm, Geräuschen und Lautstärke aussetzen. Wir werden überflutet von Informationen und visuellen und auditiven Reizen und kommen oft gar nicht dazu abzuschalten, nachzudenken, zu Ruhe zukommen und still zu werden. Es ist aber genau diese Ressource der Stille, in der man klare Entscheidung treffen kann, in sich gehen kann und wo man eine klare Sicht auf das Leben bekommt. Es ist eine wertvolle Entdeckung, wenn man erlebt, was für eine heilsame Wirkung Stille für den Menschen hat.
Als ich 2016 einen Monat in der Favela Borel in Rio de Janeiro verbrachte, um ein Praktikum zu absolvieren, erlebte ich den Effekt der Stille sehr prägend. Nach etwa zwei Wochen machte ich an einem Sonntag einen Ausflug in den Nationalpark Tijuca, um in den Hügeln des Dschungels zu wandern. Als ich mich inmitten des schönen Waldes befand, setzte ich mich auf einen Stein und blickte in ein grünes Tal hinab. Ich hörte nur den Wind, das Rascheln der Pflanzen und den Gesang der Vögel. Die Musik des Dschungels war das Einzige, das in meine Ohren kam und auf einmal realisierte ich die wundersame Stille. Ich war zwei Wochen ununterbrochen von lauten Menschen, Musik, Geräuschen, Autos und dem Lärm der Stadt umgeben und war mir dessen nicht bewusst gewesen, aber in diesem Augenblick atmete mein ganzer Körper auf, so als ob er sich nach dieser Stille gesehnt hatte, wie die Lunge sich nach dem Sauerstoff sehnt. Mein ganzes Sein konnte in diese Stille eintauchen und diesen Moment mit dem großartigen Schöpfer genießen.
In der Bibel kann man immer wieder lesen, dass Gott den Menschen dazu auffordert still zu werden, weil Gott weiß, wie gut uns Stille tut.
Seid stille vor Gott dem HERRN! Zefanja 1,7
Alles Fleisch sei stille vor dem HERRN! Sacharja 2,17
Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin! Psalm 46,11
Sei stille dem HERRN und warte auf ihn. Psalm 37,7
David war ein Mann der viel Zeit alleine in der Wildnis verbrachte. Bevor er König wurde, hütete er jahrelang die Schafe seines Vaters und auch in den vielen Jahren, in denen er von Saul verfolgt wurde, flüchtete er oft in die Wüste, um sich zu verstecken. Einer seiner Rückzugsorte war die Oase Engedi am Toten Meer, die durch ihre Höhlen reichliche Verstecke für David und seine Männer bot. Wie viele einsame Nächte er unter dem Sternenhimmel der Wüste verbrachte und seine Hoffnung auf die Zusagen Gottes in Poesie verwandelte, das weiß nur Gott.
In diesen langen Zeiten erlebte er es, was es bedeutet vor Gott still zu werden. Es gibt das Missverständnis, dass man in einem Alltag voller Probleme, Stress und Schwierigkeiten nicht still werden kann. David selbst aber bezeugt es, dass diese Stille vor Gott unabhängig von jeder Lebenssituation ist.
Einer meiner Lieblingspsalmen ist der Psalm 62, der in der Lutherbibel mit „Stille zu Gott“ betitelt ist. In diesem Psalm schreibt David darüber, dass er von Menschen verfolgt wird, die ihn tot sehen wollen. Dieser Psalm entstand in einer Lebenssituation von David, die sehr schwer war. Er erlitt Einsamkeit, Verrat und Ungerechtigkeit und in all diesem wandte er sich im Gebet zu Gott und schrieb folgende Worte.
Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Denn er ist mein Fels, meine Hilfe, mein Schutz, dass ich gewiss nicht fallen werde. Bei Gott ist mein Heil und meine Ehre, der Fels meiner Stärke, meine Zuversicht ist bei Gott. Hoffet auf ihn allezeit, liebe Leute, schüttet euer Herz vor ihm aus; Gott ist unsre Zuversicht. Psalm 62, 2-3.8-9
Meine Seele ist stille zu Gott. Kennen wir das? Haben wir das schon mal erlebt? Wissen wir, was es bedeutet inmitten verschiedenster Erlebnisse sagen zu können: meine Seele ist stille zu Gott?
Im Jahre 1871 wird Chicago durch ein schweres Feuer verwüstet. Rund 300 Menschen verlieren ihr Leben und über 100.000 ihre Heimat. Ein Opfer dieser Katastrophe ist Horatio Gates Spafford. Er verliert bei diesem Brand sein gesamtes Kapital. Als Anwalt hat er in Immobilien investiert, die nun nicht mehr existieren. Doch weitaus schlimmer für ihn ist, dass ebenfalls sein einziger Sohn in diesem Inferno stirbt. Trotzdem setzt er sich für die Menschen der Stadt ein, die wohnsitzlos, verarmt und verzweifelt sind. Nach etwa zwei Jahren will er mit seiner Familie eine Reise nach England unternehmen, um später Europa zu bereisen. Spafford wird aber durch einen Geschäftstermin aufgehalten und schickt seine Frau und seine vier Töchter mit dem Schiff voraus. Dieses Schiff kollidiert jedoch mit einem englischen Segelschiff. Es sinkt innerhalb kürzester Zeit. Seine vier Töchter sterben. Seine Frau ist eine der 47 Überlebenden dieses Unglücks. Er macht sich sofort auf den Weg zu ihr.
In all diesen Geschehnissen, wird Horatio Gates Spafford dazu inspiriert, 1876 dieses Lied zu schreiben, dessen erste Strophe so lautet:
1. Wenn Friede mit Gott meine Seele durchdringt, ob Stürme auch drohen von fern, mein Herze im Glauben doch allezeit singt: Mir ist wohl, mir ist wohl in dem Herrn
Er hat es erlebt, was es bedeutet in allen Schicksalsschlägen die Ruhe zu finden, die Gott selbst verheißt. In der Stille liegt eine große göttliche Kraft und das ist es, was diesem Mann widerfahren ist und was ihn dazu befähigt hat solche Worte zu schreiben. Paulus redet von dem göttlichen Frieden, welcher sogar unsere Vernunft übertrifft und in diesem Sinne rational gar nicht fassbar scheint. Es ist das Ergebnis der Stille und des Gebets. Wenn ein Mensch betet und vor seinem Gott zur Ruhe kommt, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: „Manchmal beruhigt der Herr den Sturm für sein Kind und manchmal beruhigt Gott sein Kind mitten im Sturm.“
Und der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der Ertrag der Gerechtigkeit wird ewige Stille und Sicherheit sein. Jesaja 32,17
Diese Begegnung und Gemeinschaft mit Gott ist das Ziel unseres Daseins. Das bekannte Zitat von Augustinus bringt diese Tatsache auf den Punkt:
„Denn zu dir hin hast du uns geschaffen und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.“
Warum möchte Gott, dass wir still vor ihm werden? Was genau geschieht in dieser Stille?
Das Großartige, das in diesem Moment geschieht, ist ein Perspektivwechsel von großer Tragweite. Gott offenbart sich und wir dürfen ihn erkennen. In diesem Geschehen wird Gott präsent und wir können erleben, wie alles andere weichen muss und klein wird. In der Begegnung mit Gott und im still Sein, dürfen wir aufhören zu leisten, zu sorgen, uns abzuringen und in falschem sturen Ehrgeiz festzusitzen. Wir sehen von uns und den Problemen weg und blicken auf Gottes Macht. Es geht dabei nicht darum das Handtuch zu schmeißen, seine Verantwortung Gott abzudrücken und sich in die Passivität zurückzu- ziehen. Nein! Es ist die Ruhe vor und inmitten des Sturmes, die einem den Mut, die Kraft um auszuhalten und das Vertrauen gibt durch den Sturm zu wandern, bis man wieder einen Sonnenstrahl auf dem Gesicht spürt.
Denn so spricht Gott der HERR, der Heilige Israels: Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein. Jesaja 30,15
Wenn wir vor dem Herrn ruhig werden und uns hoffnungsvoll an ihn wenden, dann antwortet er und wird tätig. Und wenn der lebendige Gott handelt, dann muss sich alles seinem Willen unterordnen. Das Wesen Gottes ist nach Jesu Aussagen das Wesen eines guten Vaters, der sich seiner Kinder annimmt. Gott möchte sich uns schenken und uns seine göttliche Kraft zuteilwerden lassen. Er möchte uns ermutigen und stärken, dass wir mit seinem Heiligen Geist ausgerüstet als Überwinder über diese Erde gehen können. Aber er wartet bis wir einfach mal ruhig werden und in uns gehen, unseren Fokus auf ihn den Herrn der Heerscharen richten und ihm vertrauen. Der Glaube ist vor allem eine Beziehungsgröße, die sich in diesem Vertrauen zu Gott zeigt und so durch das Gebet ausgedrückt wird. Gerade wir Männer, die gewohnt sind alles selbst zu regeln, die Ärmel hoch zu krempeln und bis zum Umfallen zu rackern, müssen wieder umdenken und erkennen, dass die Abhängigkeit von Gott keine Schwäche darstellt, sondern die wahrhaftige Kraft erst freilegt. Wir sind Söhne des Höchsten und wollen nicht zögern vor unseren Vater zu treten. Das Gebet und die Stille vor Gott sind notwendig für uns alle, denn daraus erwächst Kraft.
„Gebet ist nicht eine Flucht vor Verantwortung; es ist unsere Antwort auf Gottes Fähigkeit. Wahres Gebet rüstet uns für den Dienst und den Kampf aus.“ – Warren Wiersbe
Die Challenge
Mein Auftrag an dich besteht in den folgenden drei Schritten:
I. Gehe allein an einen einsamen Ort deiner Wahl und deiner Möglichkeit!
II. Werde still vor deinem Gott!
III. Öffne Gott dein Herz und lass alles herausfließen – rede mit deinem Vater!
Möge der treue Gott dich in das Gebet hineinführen und dich lehren ein wahrer Beter zu werden. Er kann schaffen, was wir selbst nicht können. Auf dass wir tiefer zu den Schätzen Gottes vordringen und seine Herrlichkeit erleben.
Quellen:
Hallesby,Ole: Vom Beten. Eine kleine Schule des Gebets, Skoleungdomslag 199024.
Bühne, Wolfgang: Das Gebetsleben Jesu. Ermutigung und Herausforderung, Bielefeld 2011.