Er ist nicht sonderlich groß, eher schlank und trägt kurzes, lockiges Haar. Oftmals schaut er eher nachdenklich, ist von Natur aus tendenziell zurückhaltend und seine grünen Augen strahlen erst dann, wenn er über Leiterschaft und Männerarbeit spricht. Er meidet Gruppen, fühlt sich jedoch auf der Bühne wohl und pflegt einzelne Freundschaften. Er schreibt sehr gerne, obwohl er schon immer Probleme mit der Rechtschreibung hatte. An seinem linken Arm verziert ihn eine Narbe, doch auch in seinem Leben hat er viele Verletzungen getragen. Alleine der Unfall seines Bruders hatte das Leben und damit sein Schicksal vom ersten Tag an geprägt. Nicht selten wurde er enttäuscht, doch häufig war er es auch selbst, der Schuld auf sich lud. Unzählige Jahre hatte er mit Pornografie zu kämpfen, stahl Geld von seiner Familie, um sich Anerkennung und Bestätigung auf andere Weise zu verdienen. In der Gemeinde war er eher Mitläufer, ruhig, aber ein Magnet für andere, die sich gerne mit ihm identifizierten. Es war ihm stets ein Rätsel, weshalb sie die Gemeinschaft mit ihm so genossen, schätzte er sich selbst eher nicht als einen sehr empathischen Menschen ein. Er liebt es, sich in Markenklamotten zu kleiden, generell hat er ein Faible für Klamotten und Schuhe. Eher ungewöhnlich für einen Mann. Sein fehlendes handwerkliches Geschick verdichtet das Bild: Man munkelt, er habe noch nie in seinem Leben eine Glühbirne gewechselt oder Autoreifen getauscht. Wahrscheinlich ist er einfach ein verwöhnter Musterknabe: Er trinkt nichts, studiert Theologie und Soziale Arbeit und hat in seinem Leben noch nie geraucht.
So lautete für eine lange Zeit meine persönliche Selbstbeschreibung aus der Sicht eines anderen. Es sind die kritischen Worte eines langjährigen Einzelkämpfers, der diese Unzufriedenheit stets für sich behalten hatte. Dabei wurde es mit der Zeit immer schlimmer: Der fehlende Friede hatte mich mit der Zeit krampfhaft werden lassen – ich reflektierte mich ständig, dachte über all meine Aussagen, Sünden und Fehler nach und arbeitete an mir. Von Christen umgeben und als guter Theologie Student wollte ich natürlich „besser“ werden, mich selbst verlieren und Gott wachsen lassen. Doch merkte ich nicht, dass ich mich bei alldem Bemühen, jemand zu werden zuletzt denjenigen vergessen hatte, der mich bereits so liebte, wie er mich im Leib meiner Mutter geschaffen hatte: Gott. Ich drehte mich im Kreis, nicht jedoch auf Jesus zu. So war es nicht verwunderlich, dass meine Routine bestehend aus Predigten, der Stillen Zeit und Gebetsspaziergängen schnell endete und ich mich in den Alltag und den Stress des Studiums stürzte. Netterweise folgte dann jedoch eine liebevolle Erinnerung Gottes:
Es ist Donnerstagabend, seit drei Stunden sitzen wir nun bereits im Auto. Mein Mentor und ich sind auf den Weg in die Schweizer Alpen. Seit Tagen freue ich mich auf die gemeinsame Zeit: Vor meinem inneren Auge lodert bereits das Lagerfeuer eines Kamins, ich spüre den Schweiß, der in der Sauna von meiner Stirn tropft und sehe das unbeschreibliche Panorama der Berge, welches sich vor uns erstreckt. Plötzlich werde ich durch eine Frage meines Mentors aus meiner Vorstellung entrissen: „Sag mal, David, was wünschst du dir eigentlich für dieses Wochenende und für dein Leben? Was ich mir wünsche?“ Ich zögere. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Was ich mir wünsche, hm. Natürlich fallen mir zunächst banale Dinge ein, doch wird mir relativ schnell klar, dass er sich mit einer oberflächlichen Antwort nicht begnügen würde und denke etwas darüber nach. Schließlich räuspere ich mich und antworte nur: „Wenn es eine Sache gibt, die ich mir für dieses Wochenende wünsche, dann ist es die Bitte, Frieden mit mir selbst zu schließen und das ausdrückliche ‚ja‘ zu Gott zu wiederholen.“
Ich wünsche mir Frieden. Da ist es wieder, dieses altbekannte Wort, mit dem niemand so Recht etwas anzufangen weiß. Für mich klingt es immer nach einer spirituell angehauchten Übung, die von einem Persönlichkeitscoach geleitet wird. Außerdem ist es doch etwas vermessen eine geeignete Definition zu finden, kennt meine Generation doch keinen Krieg. Zu meiner Freude fällt mir dann jedoch die letztjährige Jahreslosung aus Psalm 34:15 ein: „Lass ab vom Bösen und tue Gutes, suche Frieden und jage ihm nach!“
Mit dieser biblischen Form des Friedens kann ich etwas anfangen – Wenn ich richtig liege, steht hierfür im hebräischen das Wort Schalom, welches uns alle als israelische Grußformel bekannt sein dürfte. Wikipedia verrät mir zudem, dass mit diesem Begriff nicht nur die Befreiung von jedem Unheil oder Unglück, sondern auch Gesundheit, Wohlfahrt, Sicherheit, Ruhe und Frieden gemeint ist. Es sind alles Dinge, denen ich seit längerem nachjage. Damit wird mir eines klar: Mein Wunsch hatte meine Gefühlswelt wie ein Nagel auf den Kopf getroffen und an den Kern meiner Sehnsucht erinnert. Aus eigener Erfahrung im Rahmen der Männerarbeit kann ich zudem sagen, dass es vielen Männern genauso geht.
Als wir etwas später schweigend im Auto saßen, kamen mir weitere Fragen in den Sinn – Weshalb bist du so unzufrieden mit dir selbst? Warum musst du dir, mir oder anderen etwas beweisen? Hat dir jemals das Vergleichen geholfen?
Es sind Fragen, die dir vielleicht bekannt vorkommen. Sie alle zeugen von einer tiefen Sehnsucht, die sich in vielen Männerherzen findet, auch wenn wir es nicht immer zeigen. Im Inneren sehnen wir uns nach Geborgenheit, dem Gefühl, geliebt und gebraucht zu werden, jemand zu sein. Zu dumm, dass uns unsere Sehnsüchte jedoch an falschen Orten suchen lassen. Mich berührt es immer wieder, wenn ich in unserer Männerarbeit die Geschichten und Zeugnisse von verschiedenen Leuten höre – Alle haben wir schon unsere Identität in anderen Dingen gesucht, uns vom Geld, der Karriere, Süchten oder Frauen abhängig gemacht. Unsere Herzen werden ständig zu Zielscheiben von Ängsten, Zweifeln und Selbstmitleid. Auch in Gemeinden ist dies keine Seltenheit.
Es ist ein Umstand, der mich schwer trifft. Blicke ich dabei nicht selten in die Gesichter von Brüdern, die ich sehr schätze. Jeder von ihnen ist einzigartig und wunderbar gemacht, hat Stärken und Schwächen – doch keinen Grund sich zu schämen, das Gefühl zu haben „nichts wert“ zu sein.
Gottes Liebe zeigte sich doch darin, dass er uns bereits liebte, als wir noch Sünder waren (Römer 5). Wir alle haben schon unzählige Male von dieser guten Botschaft gehört, doch ist dieser Samen auf dem Weg vom Kopf ins Herz verloren gegangen.
Zum Glück übt Gott Geduld mit uns: Wenn ich an mein eigenes Leben oder das Leben einiger seiner Jünger denke. Jesus ließ sich nicht von Zachäus einladen, weil dieser einen Lebenswandel vollbracht hatte. Er berief Simon Petrus nicht, weil er von dessen Treue zu seiner schwersten Stunde wusste. Jesus verschließt nicht die Tür, weil wir nicht perfekt sind. Im Gegenteil, er hält uns seine ausgestreckten Arme hin, freut sich über sein geliebtes Kind, dem er Identität zusprechen darf. In seinen Augen sind wir „sehr gut“ gemacht. Natürlich dürfen wir an uns arbeiten, doch sollten wir uns daran erinnern, dass wir die Reben am Weinstock sind. Er derjenige ist, der Frucht in uns hervorbringt. Was nicht heißt, dass wir nicht länger aktiv bzw. von der billigen Gnade befallen sein sollen.
Doch ist es nicht eine viel schönere Perspektive, mit und durch Gottes Liebe bestärkt durch das Leben zu gehen? Ist es nicht ein Gefühl von Befreiung, sich nicht mehr mit anderen messen zu müssen, sondern man selbst zu sein?
Dieser Impuls soll dich dazu ermutigen, deine Masken abzulegen und das ewige Schauspiel oder den Vergleich zu beenden. Wie? Nun, danke Gott für die Gaben, die er dir geschenkt hat. Frage ihn, wie du ihm dienen, diese nutzen kannst. Ermutigt einander, vergebt euch und seid geduldig mit euren Glaubensbrüdern. Suche dir Menschen, denen du vertraust und denen du in dein Herz schauen lassen kannst. Komme mit deinen Selbstzweifeln vor Gott und lasse dir von ihm deine Identität zusprechen, von ihm prägen. Lebe in Frieden. Jage ihm nach. Sei du selbst. Lebe in Frieden mit dir, Gott und deinen Nächsten.
Es ist sein Licht, welches von uns ausgeht, dass die Dunkelheit der Welt erhellt. Ein jeder an seiner Stelle, mit seinen Gaben.
An diesem Mentorenwochenende wurde mir ganz neu bewusst, was ein ‚ja‘ zu mir und Gott verändern kann. Ich habe mich dazu entschieden, einmal mehr mein Leben auf ihn auszurichten und zu hören, welches Ziel er mit mir verfolgt.
Diese Botschaft kommt aus tiefsten Herzen. Ich hoffe und bete darum, dass dieser Same auch in deinem Leben Veränderung schafft, etwas anstößt. Die Frucht des Friedens wächst durch den Geist Gottes, was für ein Zuspruch. Amen.
Gastartikel
David Marzluf
Steht auf Poetry Slam, Fußball und Schuhe
Studiert Theologie & Soziale Arbeit und macht nebenbei den Eventmanager der Hochschule IHL
Wohnt zusammen mit Geflüchteten im Hoffnungshaus
Leidenschaftlicher Mitstreiter der Männerarbeit Victorious INSTAGRAM – VICTORIOUS