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Surfen und Glauben

Erfahre was Surfen und die Glaubensreise gemeinsam haben.

Unsere wohl wichtigste Reise ist die Reise zu Gott. Diese Reise oder unser „geistliches“ Leben führt heimwärts und das, was wir Tod nennen, ist in Wahrheit der Anfang des Lebens.

Viele Autoren, die über diese Reise schreiben, identifizierten verschiedene Stufen dieser Reise. Ein Weg, auf dem wir ständig verändert werden, fallen, aufstehen, lernen und weitergehen.

Es gibt verschiedene Bilder für die Stufen des geistlichen Lebens, aber noch nie habe ich über einen Vergleich anhand des Surfens gelesen. Wenn Peter Kreeft neben seinen Tätigkeiten als Philosophieprofessor, Theologe und Apologet Zeit findet, dann springt er gerne in die Wellen des Ozeans und gibt sich dem Bodysurfing hin. Anhand dieses Hobbies entstand eine faszinierende Analogie, die er in seinem Artikel „Surfing and Spirituality“ beschreibt. Diese Analogie und der Inhalt seines Artikels möchte ich mit dir in kompakter Form teilen:

Auftakt

Viele von uns sind von dem Ozean fasziniert und lieben ihn. Sobald wir genügend Geld und Urlaub haben, dann sind wir dort aufzufinden. Es ist ein kurioses Gefühl, eine innere Sehnsucht nach dem Meer, die wir in uns spüren, so als ob nicht Blut, sondern Salzwasser durch unsere Adern fließen würde. Diese Sehnsucht spiegelt sich auch in der Poesie wider, wie z.B. in dem Gedicht „Seefieber“ von John Masefield (1878-1967):

„Ich muss zurück, zum Meer hinab,

Zum Himmel und einsamer See,

Und nichts will ich als ein schlankes Schiff

Und den weisenden Stern in der Höhe,

Das Knacken des Rads und des Windes Lied

Und der Segel Glanz und Schwung,

Und den grauen Nebel im Antlitz der See

Beim Einbruch der Dämmerung.“

Die Schlüsselelemente in der Analogie von P. Kreeft sind leicht erklärt:

  • Der Surfer bist du und ich
  • Der Körper, mit dem wir im Meer surfen ist unsere Seele
  • Das Meer ist Gott
  • Der Strand ist unser Zugang zu Gott

Es gibt insgesamt 12 Stufen beim Surfen, die du auf dein geistliches Leben und deiner Reise zu Gott übertragen kannst. Diese sind in 4 Hauptteile mit jeweils 3 Unterstufen eingeteilt.

Stufe 1-3: Vorbereitungen

Um das Meer zu erleben musst du auch dorthin gehen. Allerdings gehst du nicht freiwillig zum Meer, ohne das Verlangen danach zu haben. Vorher musst du aber wissen, dass es das Meer gibt, um das Verlangen dorthin zu gehen, überhaupt zu entwickeln. Somit sind die ersten drei Schritte: (1) Das Meer kennen, (2) dorthin gehen zu wollen und (3) dorthin zu gehen. Übertragen auf das geistliche Leben bedeutet das:

1. Glaube

Wir müssen wissen, dass Gott existiert, dass er gut ist und wir in ihm unsere Glückseligkeit finden. Für die meisten entspringt diese Erkenntnis aus dem Glauben und manche erkennen die Existenz Gottes auch anhand der Vernunft (z.B. ontologischer Gottesbeweis).

2. Hoffnung

Wir hoffen auf Gott, haben Sehnsucht nach ihm und suchen ihn. Jesus sagt uns in Mt. 7,8: „Sucht, so werdet ihr finden.“ Umgekehrt kannst du ohne zu suchen auch nichts finden. Der Brennstoff deiner Suche ist die Sehnsucht und das Verlangen nach dem Objekt.

3. Liebe

Liebe (Agape) ist die Frucht der Hoffnungspflanze, deren Wurzel der Glaube ist. Für uns Christen bedeutet die Liebe ein Leben und nicht ein Gefühl. Zu lieben bedeutet sich auf den Weg zu machen. Für Sören Kierkegaard (1813-1855) war die Liebe zu Gott und den Menschen wie zwei Türen, die nur gleichzeitig geöffnet und geschlossen werden können:

„Wie der stille See seinen dunklen Grund in der tiefen Quelle hat, so hat die Liebe eines Menschen ihren rätselhaften Grund in Gottes Licht […]. Wenn man einmal ganz in das Reich der Liebe eingetreten ist, dann wird die Welt, so mangelhaft sie auch ist, dennoch schön und reich; denn sie besteht aus lauter Gelegenheiten zur Liebe.“

Der Glaube blüht in der Tat auf und bleibt nicht im Reich der Gedanken zurück. Die Pflanze – Wurzel, Stamm und Frucht – ist ein Wesen. Genauso sind Glaube, Hoffnung und die Liebe nicht unabhängige Dinge, sondern drei Teile eines lebendigen Wesens. Der Glaube an Gott ist unsere Kenntnis Gottes – wie die Kenntnis des Meeres. Die Hoffnung in Gott ist unsere Sehnsucht nach Gott – genauso wie das Verlangen zum Meer zu gehen. Die Liebe ist unsere tatsächliche Bewegung hin zu Gott bzw. unser Wachstum in ihm – genauso wie unsere echte Reise zum Meer.

Um dich auf die Reise zu begeben, benötigst du keine umfangreichen Erkenntnisse über das Meer. Du musst kein Ozeanograf sein, um Urlauber zu sein. Genauso musst du kein Theologe sein, um dich auf die Reise zu Gott zu begeben.

Wir benötigen eine tiefe Sehnsucht nach dem Meer, um Zeit und Geld für die Reise in die Hand nehmen. Ein bisschen Neugierde ist nicht genug, denn oftmals müssen wir Reisepläne, Menschen, Koffer und unser Surfboard bewegen, um einen Urlaub zu machen. Ohne das entsprechende Verlangen danach, würdest du diese Strapazen nicht auf dich nehmen.

Stufe 4-6: Anblick und Erlebnis

Auch hier wird das „Glaube-Hoffnung-Liebe“ Muster wiederholt:

4. Das Meer erblicken

Zu erkennen heißt zu sehen und nichts kann das Sehen ersetzen. Auf deiner Reise zum Meer glaubst du, dass das was in deinem Reiseführer steht, wahr ist. Wenn du aber das Meer bei deiner Ankunft erblickst, dann wird eine Musik der Freude und des Nachhausekommens in deinem Herzen angestimmt, die auch gleichzeitig ein Ausdruck weiteren Verlangens ist. Es ist eine mysteriöse Verbindung von tiefer Zufriedenheit und Unzufriedenheit. Denn das ruhelose Herz, welches Gott für sich erschuf, bleibt solange rastlos bis es Gott findet und in ihm ruht. Der Anblick des Meeres ist die Erfüllung des Glaubens von weitem, den wir durch den Reiseführer bekamen. Genauso ist der Anblick Gottes die Erfüllung des Glaubens, denn „wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen“ (Joh. 11,40).

5.  Das Meer riechen

Das Riechen des Meeres ist die Erfüllung der sehnsüchtigen Hoffnung von weitem. Der Geruchssinn ist ein faszinierender Sinn. Etwas Externes tritt in unseren Körper ein, wenn die Moleküle in unsere Nase eintauchen. Manchmal bewegen uns Gerüche tiefer und mysteriöser als jeder andere Sinn. Hoffnung stützt sich in den dunklen Stunden des Lebens nicht auf uns, sondern auf etwas Externes außerhalb uns selbst und unserer Möglichkeiten. Das „I have a dream“ eines M.L. Kings steht für die Hoffnung, die sieht, was noch nicht ist, aber werden wird. Gerüche können wir nicht sehen aber wir nehmen sie war. Wir sind zwar noch nicht im kühlen Meer aber durch den Geruch des Meeres nehmen wir schon mit unserer Sinneswahrnehmung daran teil, in dem Wissen bald in die See einzutauchen. Genauso lässt auch die Hoffnung uns am zukünftigen teilhaben, sie schenkt uns Freude und Durchhaltevermögen, denn in ihrem Reich ist es nie Winter.

6. Den Strand hinunter ins Meer rennen

Wenn wir den Strand hinunter rennen, um endlich ins kühle Nass zu gelangen, dann vergessen wir alles um uns herum auch uns selbst. Es ist vergleichbar mit der selbstvergessenen und selbstaufopfernden Liebe. Diese beruht auf dem Entschluss und der Hingabe des eigenen Selbst als ein Opfer. Jesus drückte es so aus:

„Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es erhalten.“ (Lukas 9,24)

Stufe 7-9: Die Vertiefung der Beziehung

Die nächsten drei Stufen vertiefen unsere Beziehung mit dem Meer bzw. mit Gott.

7. Antasten

Zuerst werden unsere Zehen nass. Geistlich gesehen, erleben wir ein bisschen davon, was wir zuerst geglaubt und dann verstanden haben.

8. Zur Hälfte drin

Als Nächstes werden wir bis zur Hüfte nass. Der wichtige Schritt ist, dass unser Schwimmanzug nass wird. Der Schwimmanzug verdeckt unseren Intimbereich, der zu den empfindlichsten Stellen gehört. Das symbolisiert die hoffnungsvolle Hingabe unseres Lebens an Gott, was oft Schmerzen, Opfer und Tod bedeutet. Der wohl deutlichste Unterschied zwischen der heutigen westlichen Christenheit und den großen Werkzeugen Gottes in der Kirchengeschichte ist deren Bereitschaft oder Eifer, für Gott zu leiden.

9. Komplett nass werden

Der ganze Körper wird nass: Dies symbolisiert die komplette Weihe unseres Selbst für Gott inklusive unserem ganzen Willen und Leben. Wir lassen uns selbst nichts mehr übrig. Es gibt nicht einmal einen Cent oder eine Sekunde oder etwas anderes, dass wir unser Eigen nennen.

Stufe 10-12: Die mystische Erfahrung

10. Eintauchen

Wir tauchen mit unserem Kopf in das Meer ein und es gibt keinen sandigen Boden mehr unter unseren Füßen. Diese Stufe symbolisiert das Eintauchen unseres Verstandes und Herzens in die Geheimnisse und Herausforderungen Gottes. Wir verlieren unseren Halt, kommen in Glaubenskrisen, die unseren Glauben durch Ausharren stärken. Wir sind nicht mehr länger in Kontrolle. Es fühlt sich so an als ob wir Teil des Meeres werden. In dieser Stufe haben wir Gotteserfahrungen, die uns in Verbindung mit der göttlichen Wirklichkeit setzen und bei denen wir erleben, wie Gottes Königreich mit unserer Realität zu einer unzertrennbaren Einheit verschmilzt.

11. Surfen

Nach dem anstrengenden Paddeln sind wir endlich im Line-Up und warten gespannt auf die perfekte Welle. Wenn wir auf dem Surfbrett stehen dann ist unsere Einheit mit dem Meer größer als beim eher passiven Eintauchen (10). Hier geht es um die aktive Handlung und das zu tun, was das Meer tut. Das Meer bewegt Wellen und so bewegen wir uns auf den Wellen. Wir werden zu einer Einheit, mit dem was das Meer tut als auch mit dem, was das Meer ist.

Die Stufen 1-9 sind alle ein dynamischer Prozess und in Bewegung. Die Stufe (10) fühlt sich wie das Ende und der Friede an. Aber das ist nicht das Ende, denn am Ende angelangt gibt es noch mehr Dynamik und Bewegung. Nur dieses Mal vielmehr vom Ende her als zum Ende hin. Nachdem wir zu Gott bewegt wurden und endlich in IHM ruhen, bemerken wir, wie wir von IHM bewegt werden. Gott ist eine dynamische Brandung und kein stilles Wässerchen im Swimmingpool. Das Leben mit Gott ist die dynamischste und aufregendste Sache in dieser Welt.

12. Untergehen

Jede Analogie kommt irgendwann an ihre Grenze. Die letzte Stufe ist nicht gerade körperlich angenehm. Dennoch ist sie auf der geistlichen Ebene gleichbedeutend mit höchster Freude. Die letzte Stufe ist das Untergehen im Meer und symbolisiert eine mystische Vereinigung (unio mystica). Das Untergehen ist nicht nur der Tod von eigenen Plänen und Konzepten (wie in Stufe 10) oder des eigenen Willens (wie in Stufe 11, wenn wir nur noch von den Wellen bewegt werden), sondern der Tod unseres Selbst. Etwas in uns sehnt sich zu sterben, denn für eine Auferstehung ist zuerst der Tod notwendig. Etwas in uns, das wir nicht verstehen können, das wir gleichzeitig fürchten und lieben, ruft zu Gott, damit er uns im Geiste ableben lässt:

„Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn […]. Ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden und bei Christus zu sein.“ (Philipper 1,21 und 23)

Der schottische Essayist und Historiker Thomas Carlyle (1795-1881) fasste dies so zusammen:

„Das, was wir Tod nennen, ist in Wahrheit der Anfang des Lebens.“

Abklang

Was kommt nach Stufe 12?

Nach einem Gebet in der Zelle musste sich der Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer ausziehen. Nackt trat er den Gang zum Galgen an – sie wollten dem Pastor bei seinem Betreten der letzten Stufe eine endgültige Demütigung bereiten. Doch die siegreichen Worte Bonhoeffers vor seiner Hinrichtung 1945 durch die Nazis klingen noch bis heute an:

Das ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens.

Er wusste, was vor ihm lag.

Weißt du es?

Quellen

Beitrag „Surfing and Spirituality“ von P. Kreeft

http://www.peterkreeft.com/topics/surfing.htm

Bild: n4pgw/carloyuen/StockSnap/geralt/Pixabay

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